AG München: Einbau und Betrieb eines Video-Türspion verletzen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mietern und Dritten

26.10.2014. 20:35

Das AG München hat am 04.12.2013 zum Aktenzeichen 413 C 26749/13 entschieden, dass die Anbringung eines Video-Türspions, der den Hausflur eines Miethauses Tag und Nacht überwacht eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Mitmietern und Dritten darstellt.

Aus Angst vor ihren Nachbarn, mit denen eine Münchener Mieterin seit langer Zeit im Streit stand, brachte sie an der Tür ihrer Etagenwohnung im Erdgeschoss einen Video-Türspion an. Der Video-Türspion war tagsüber so programmiert, dass das gesamte Geschehen ohne Einschränkung via Liveübertragung auf dem Bildschirm der Mieterin in der Wohnung zu sehen war. Die Aufnahmen am Tag wurden von dem Gerät nicht gespeichert. Anders erfolgte die Video-Überwachung allerdings zur Nachtzeit: Nachts erfolgte eine Aufzeichnung des Geschehens nur, sofern der Bewegungsmelder aktiviert wurde. Durch den Bewegungsmelder wurde die Videokamera ausgelöst und Aufnahmen getätigt, die dann nicht via Liveübertragung angesehen werden konnten, sondern vorerst gespeichert wurden. Die gespeicherten Aufnahmen konnte die Mieterin sich an den Folgetagen sowohl am Bildschirm als auch am PC ansehen und nach Belieben löschen.

Bei einer Hausbegehung im April 2013 wurde der Video-Türspion entdeckt und die Mieterin aufgefordert, diesen zu entfernen. Die Mieterin war sich jedoch sicher, dass der Einbau und Betrieb des Spions rechtmäßig sei und verweigerte insofern den Abbau. Anschließend wurde sie von ihrer Vermieterin auf Beseitigung des Türspions vor dem AG München verklagt.

Der Einbau und Betrieb eines Video-Türspions greift laut dem AG München in erheblichem Maße in das allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG ein:

„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht […gibt] dem einzelnen einen Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit auch gegenüber einer Privatperson. Es umfasse auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dies beinhalte für die Mitmieter nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen könne. Es beinhalte darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen. Hier wurde die Privatsphäre der Mitmieter und Besucher verletzt, da die Videoüberwachung und insbesondere die Videoaufzeichnung in der Nacht im häuslichen Bereich stattfand. Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen sei grundsätzlich unzulässig, da diese Bereiche allgemein zugänglich seien und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der beklagten Mieterin unterstehen oder ihrem alleinigen Hausrecht unterfallen. Denn die Mitmieter und Besucher, die berechtigt den Flur bzw. das Treppenhaus betreten, werden per Video aufgenommen. Da die beklagte Mieterin im Erdgeschoss des Anwesens wohne, müssten die übrigen Mitmieter bzw. deren Besucher an ihrer Wohnungseingangstür vorbei, um zu ihren Wohnungen zu gelangen. Somit werden sie, unabhängig von ihrem Verhalten, nachts gefilmt und die Aufnahmen werden gespeichert. Die Beklagte entscheide allein, ob die Aufnahmen gelöscht werden oder nicht. Dies stelle eine massive Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitmieter und Besucher dar.“

Eine Beseitigung des Türspions kann trotz des festgestellten Eingriffes aber nur dann gefordert werden, wenn der Eingriff nicht aus besonderen Gründen gerechtfertigt werden kann, die Mieterin also gerechtfertigt Aufzeichnungen machen durfte. Die Mieterin gab als Grund für den Einbau des Spions andauernde Streitigkeiten mit Nachbarn und Angst ihrerseits an. Dies kann allerdings, ohne den Verdacht einer bevorstehenden Angriffes der Nachbarn, keine Rechtfertigung für eine dauerhafte Überwachung aller Mieter und deren Besucher sein.

Aus diesen Gründen hat das AG München die Mieterin zur Beseitigung des Video-Türspions in Anspruch genommen.

Quellen: Nachricht vom 12.05.2014 auf juris, das Rechsportal, „Anspruch auf Beseitigung eines „Video-Türspions“; Pressemitteilung 19/14 des AG München vom 12.05.2014, „Der Spion an der Haustür“; Bericht von BAUEN; WOHNEN, Ein Magazin von Saabrücker Zeitung und Pfälzischer Merkur vom 19.05.2014,„Mieterin beobachtet Mitbewohner mit Video-Türspion: Darf sie das?„.

Das könnte Sie auch interessieren

21 Januar 2015

EuGH: Private Videoüberwachung…

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat kürzlich entschieden (Urt. v. 11.12.2014, Az.: C-212/13), dass…

Mehr Erfahren
05 Januar 2015

AG Bonn: Verletzung des…

Das Amtsgericht Bonn hat in einem Verfahren die ihm vorgelegten Fotoaufnahmen nicht als Beweismittel…

Mehr Erfahren
17 Dezember 2014

OVG Lüneburg: Videoüberwachung…

Das OVG Lüneburg hat am 29.09.2014 zum Aktenzeichen 11 LC 114/13 entschieden, dass die Überwachung des…

Mehr Erfahren
11 November 2014

Geldbetrag gegen beim…

Eine Rechtsanwaltskanzlei unterbreitet Unternehmen in der Vergangenheit Angebote, bei denen sich diese…

Mehr Erfahren
11 November 2014

Erfassung von Autokennzeichen…

In Deutschland werden regelmäßig Autokennzeichen erfasst und Datenschutzaufsichtsbehörden sind sich dabei…

Mehr Erfahren
26 Oktober 2014

Rat der EU verabschiedet…

Nachdem die Verhandlungen über die Europäische Datenschutzgrundverordnung teilweise zum Erliegen gekommen…

Mehr Erfahren