EuGH: Internetsuchmaschinenbetreiber müssen etwaige begehrte Entfernungen von Daten aus Ergebnislisten prüfen

02.07.2014. 20:35

Der EuGH hat in seinem Urteil in der Rechtssache C 131-12 Google Spain SL, Google Inc. / Agencia Española de Protección de Datos, Mario Costeja González entschieden, dass Betreiber von Internetsuchmaschinen, wie Google, verantwortlich sind für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten anderer Internetseiten. Insofern können sich Betroffene an die Internetsuchmaschinen selbst wenden, wenn sie die Entfernung eines Links auf weitere Daten zu ihrer Person aus der Ergebnisliste begehren.

Herr Mario Costeja González, ein spanischer Staatsbürger, ist bei der Eingabe seines Namens in der Suchmaschine von Google über die Ergebnisliste mit angegebenen Links auf zwei Tageszeitungsartikel , die u.a. die Ankündigung einer Grundstücksversteigerung infolge von Pfändungen wegen Schulden bei einer Sozialversicherung enthielten, gestoßen. Seit Jahren seien diese Pfändungen vollständig erledigt, sodass er eine Entfernung dieser Daten begehrte. Daher erhob er bei der spanischen Datenschutzagentur AEPD eine Beschwerde gegen eine spanischeTageszeitung, sowie gegen Google Spain und Google Inc.

Fraglich ist insofern, wer für die Entfernung der Daten in Anspruch genommen werden kann: Der Bereitsteller der konkreten Informationen, d.h. in diesem Fall die Tageszeitung, oder die Suchmaschine, die die Existenz der Daten auf Drittseiten verbreitet, d.h. Google.

Die Datenschutzagentur lehnte eine Verantwortlichkeit der spanischen Tageszeitung mit der Begründung ab, dass diese die Informationen rechtmäßig veröffentlicht haben. Insofern konnte der Beschwerdesteller von der Tageszeitung nicht die Entfernung bzw. das Löschen der Artikel verlangen.

Dahingehend bestätigte sie die Verantwortlichkeit von Google Spain und Google Inc. und nahm sie für die Entfernung der Daten aus der Ergebnisliste in Anspruch. Google Spain und Google Inc. haben daraufhin auf Aufhebung der Entscheidung der Datenschutzagentur vor einem spanischen Gericht geklagt.

Da die Rechtsfragen in diesem Verfahren aber im Zusammenhang mit einer europäischen Richtlinie, die „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen, insbesondere das Recht auf die Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten [schützen] und gleichzeitig die Hemmnisse für den freien Verkehr solcher Daten [beseitigen soll]“, stehen, hat das spanische Gericht den Fall vorerst nicht entschieden, sondern den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um eine Vorabentscheidung gebeten.

Der Gerichtshof hat sodann in seiner Entscheidung einen „Suchmaschinenbetreiber, da dieser über die Zwecke und Mittel einer solchen  Verarbeitung  entscheidet,  als  den  im  Sinne  der  Richtlinie  für  die  Verarbeitung „Verantwortlichen“ ein[gestuft]. Da die Tätigkeit einer Suchmaschine zusätzlich zu der der Herausgeber von   Websites   erfolgt   und   die   Grundrechte   auf   Achtung   des   Privatlebens   und   Schutz personenbezogener   Daten   durch   sie   erheblich   beeinträchtigt   werden   können,   hat   der Suchmaschinenbetreiber in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass seine Tätigkeit den Anforderungen der Richtlinie entspricht.“

Insofern sind Suchmaschinenbetreiber die richtigen Adressaten für den Fall, dass einzelne Personen die Entfernung von Daten wünschen. Wer also möchte, dass einzelne Ergebnisse bei der Suche nach ihrem Namen zukünftig nicht mehr erscheinen, der kann sich mit seinem Begehren direkt an die Suchmaschinenbetreiber wenden, statt an diejenigen Unternehmen, die die Informationen nicht nur auflisten, sondern tatsächlich enthalten.

Fraglich ist allerdings neben der Verantwortlichkeit zudem, unter welchen Umständen das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten das Interesse am freien Datenverkehr überwiegt, d.h. unter welchen Umständen eine Entfernung von Daten gefordert werden kann.

Der Gerichthof weist in diesem Zusammenhang auf die Schwere und Intensität des Eingriffs in die Rechte der Betroffenen hin:

„[…E]ine Verarbeitung personenbezogener Daten [ermöglicht] es jedem Internetnutzer […], bei Durchführung einer Suche anhand des Namens einer natürlichen Person mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu ihr im Internet verfügbaren Informationen zu erhalten.Diese betreffen zudem potenziell zahlreiche Aspekte des Privatlebens und hätten ohne die Suchmaschine nicht oder nur sehr schwer miteinander verknüpft werden können. Die Internetnutzer können somit ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Personen erstellen. Die Wirkung des Eingriffs in die Rechte der betroffenen Person wird noch durch die bedeutende Rolle des Internets und der Suchmaschinen in der modernen Gesellschaft  gesteigert,  die  den  in  den  Ergebnislisten  enthaltenen  Informationen  Ubiquität verleihen.“

Insofern könnten zukünftig wohl überwiegend die betroffenen Personen, die Links entfernt wissen wollen, Recht bekommen und Google und andere Suchmaschinenbetreiber wären bei einer entsprechenden Rechtsprechung der einzelnen Mitgliedstaaten verpflichtet, eine Vielzahl von Daten zu entfernen.

Trotz der festgestellten Schwere des Eingriffs in die Rechte der Betroffenen durch die Auflistung der Suchmaschinenbetreiber, weist der EuGH aber auch daraufhin, dass dem Interesse am Datenschutz das Interesse der Internetnutzer an Informationen gegenübersteht. In der Regel wird wohl das Interesse am Datenschutz das Informationsinteresse der Internetnutzer überwiegen, allerdings „kann in besonders gelagerten Fällen aber [abhängig] von der Art der betreffenden Information, von deren Sensibilität für das Privatleben der betroffenen Person und vom Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu der Information“ eine Entscheidung auch zugunsten der Internetnutzer ausfallen.

Für den Fall von Herrn Mario Costeja González, bei dem es um die Entfernung von nicht mehr aktuellen Daten geht, überwiegt das Datenschutzinteresse, wenn festgestellt wird, dass die „Daten in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der verstrichenen Zeit, den Zwecken, für die sie verarbeitet worden sind, nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen“.

Es bleibt letztlich abzuwarten, wie die Fälle im Einzelfall gelagert sein werden und zu welchen Gunsten die Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten ausfallen werden. Eine Vielzahl von angestrebten Verfahren scheint aber wohl sichere Folge des EuGH-Urteils zu sein.

Auch der Konzern Google ist sich mit ihrem Umgang mit dem EuGH-Urteil laut der Medien noch nicht sicher. In Erwägung gezogen wurde aber,  bei Informationen, die aus rechtlichen Gründen (bspw. verlorene Gerichtsverfahren) gelöscht werden mussten, einen Warnhinweis einzufügen. So würde statt der Daten der Hinweis auftauchen, dass Daten gelöscht wurden. Dies könnte einige Bürger wohl daran hindern, eine Klage auf Entfernung der Daten zu erheben: Schließlich liegt die Vermutung nahe, dass die jeweilige Person etwas zu verbergen haben. Aber ob Google damit wirklich die Welle von Klagen verhindern kann, erscheint fraglich: im Falle der Einführung eines Warnhinweises erscheinen Verfahren, die auf die Vereinbarkeit der Warnhinweise gerichtet sind, ebenfalls naheliegend.

Quellen: Pressemitteilung Nr. 70/14 des Gerichtshofs der Europäische Union; weitere Informationen: Artikel bei spiegel.online vom 14.05.2014 von Matthias Kremp und Markus Böhmen, „Google: EuGH-Entscheidung und Google: die wichtigsten Infos zum Suchmaschinenurteil“; Artikel der Süddeutschen vom 10.06.2014, „Google will auf gelöschte Links hinweisen“.

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